Genossenschaftskultur
Das Himmelrich 3 werkt und flickt jetzt gemeinsam
Schweissmaschine gesucht: Die Himmelrich-3-Siedlung hat neu eine Werkstatt. Dafür waren viel Engagement und etwas Geduld von Bewohnerinnen und Bewohnern nötig. Das Beispiel könnte Schule machen.
Hier fallen Späne, kreischen Sägen oder eine rostige Velokette erhält die rettenden Tröpfchen Öl. In der neuen Werkstatt im Himmelrich 3 darf es auch mal laut und staubig werden. Etwas, wofür in dicht bebauten Stadtwohnungen kaum Platz ist. Die Werkstatt direkt unter dem Gemeinschaftsraum an der Bundesstrasse steht allen Bastlern und Heimwerkerinnen der Siedlung jederzeit zur Verfügung, eine Anmeldung ist nicht nötig. «Das Angebot soll möglichst niederschwellig sein», sagt Christian Hochstrasser von der Aktivgruppe. Ob zum Flicken, Malen, Basteln, Nähen, Sägen, Bohren, Lackieren oder Ski-Wachsen – auf den rund 60 Quadratmetern ist vieles möglich. Nicht nur Werkzeuge, auch Know-how soll in Form von Kursen oder gemeinsamen Aktionen geteilt werden. Vorbild war die Werkstatt in der Genossenschaftssiedlung Teiggi in Kriens. «Es war sehr inspirierend, das zu sehen», sagt Mitinitiant Boris Macek.
Spenden willkommen und nötig
Die Himmelrich-3-Werkstatt ist ein «Work in progress». Es gab schon einige Sachspenden und Sägestaub zeugt von ersten Aktionen, aber noch fehlen ein paar Dinge. Von den städtischen Schulen gibts alte Werkbänke und eine Werkzeugwand wird anstelle des Weiss zusätzlichArbeitsatmosphäre schaffen. Weiteres Werkzeug ist sehr willkommen, etwa eine Schweissmaschine, Velomaterial, aber auch Kleinbedarf wie Schraubenzieher oder Pinsel. Eine Liste im Himmelrich-eigenen Intranet wird laufend aktualisiert. «Falls zum Beispiel jemand eine Fräsmaschine hat, wäre das toll», so Christian Vögtli, der ebenfalls Teil der Gruppe ist. Grössere Maschinen sind auch als Leihgaben willkommen. Ebenso sind weitere Vereinsmitglieder nötig, die das Vorhaben mit einem Jahresbeitrag von 20 Franken unterstützen. Zwar können Himmelrich-3-Bewohnerinnen und -Bewohner den Raum samt Einrichtung gratis nutzen, der Betrieb aber kostet. Der Verein zahlt eine Jahresmiete von rund 2 500 Franken. Während einer zweijährigen Pilotphase übernimmt der abl-Genossenschaftskulturfonds die Mietkosten. Die Einrichtung, Anschaffungen und die langfristige Miete ist jedoch Sache des Vereins. Neben Spenden und Mitgliedschaften sind auch weitere helfende Hände in der Aktivgruppe gern gesehen, um den Raum fertig einzurichten und in Schuss zu halten.
Die Macher brauchten Geduld
Eine Werkstatt war im Himmelrich 3 nicht von Anfang an vorgesehen und ist der Initiative von Bewohnerinnen und Bewohnern zu verdanken. Schon in den Workshops vor dem Einzug wurden mehrfach eine Velowerkstatt oder ein Bastelraum gewünscht. Es blieben offene Fragen: Wie organisieren sich die Initiantinnen und Initianten? Wo gibts freien Raum? Wer bezahlt das alles? Und wer und wie darf die Werkstatt benutzen? Früh hat sich ein Gründerteam von sechs Personen gebildet, um die Idee voranzutreiben. Neben Boris Macek, Christian Hochstrasser und Christian Vögtli gehören Cédric Eberli, Sepp Habermacher, Sandra Meier und Simon Müller dazu. «Jeder ist mit seinen Bedürfnissen in die Gruppe gekommen», sagt Boris Macek. Um Skier zu wachsen, Fasnachtsmasken zu basteln, einen Camper umzubauen oder Velos zu flicken. Zwölf Räume im weiten Untergrund der Überbauung hat die Gruppe besichtigt – und sich dann für die jetzige Werkstatt mit Wasseranschluss, nahem WC und einer Lüftung entschieden. Eben gerade hat ein Sanitär ein grosses Waschbecken montiert. Der ganze Prozess brauchte Zeit und strapazierte zeitweise die Geduld der Gruppe. «Wir sind alles Macher», sagt Boris Macek. Und Christian Hochstrasser ergänzt: «Wir haben als Team ziemlich gepusht und da sind spannende Dynamiken aufeinandergeprallt, es war für alle eine neue Erfahrung.» Aber letztlich habe die Zusammenarbeit sehr gut geklappt, sind sich die drei einig. Schliesslich ist es alles andere als selbstverständlich, dass eine solche Idee umgesetzt wird.
Vorbildlicher Effort
Katrin Burri, bei der abl zuständig für Genossenschaftskultur und Soziales, hat das Vorhaben von Anfang an begleitet und ist spürbar begeistert vom Tatendrang der Gruppe: «Sie waren sehr selbstständig unterwegs. Es brauchte Geduld, aber es sind Leute, die das wirklich wollen. Diese Selbstorganisation braucht viel Zeit.» Es sei jeweils eine Gratwanderung mit den Ansprüchen an die abl. «Für uns war aber klar, dass die Verantwortung für den Betrieb nicht bei uns liegen kann, sondern dass sich die Mieterinnen und Mieter selber organisieren», so Katrin Burri. Oft sei der Knackpunkt bei solchen Ideen, Leute zu finden, die sich fix darum kümmern. «Es ist dem Verein deshalb hoch anzurechnen, dass er diesen Effort leistet.»Auch für die Genossenschaft ist das Vorgehen mit dem Verein ein Versuchslabor: Welchen Kompromiss kann sie beim Mietvertrag eingehen? Welche Räume kommen infrage? Wie sieht der Rohbau aus und wer leistet wie viel für den Endausbau? Um den geeigneten Raum zu finden, musste die abl zudem abwarten, welche Flächen vom Gewerbe im Himmelrich nicht beansprucht werden. Die zweijährige Unterstützung aus dem Genossenschaftsfonds, der seit 2017 besteht und aus einem Prozent der Mieteinnahmen gespiesen wird, war danach schnell unter Dach und Fach.
Know-how weitergeben
Katrin Burri hofft, dass das Beispiel als Vorbild dient, denn der Fonds dürfte noch stärker angezapft werden: «Das Kriterium für Unterstützung ist nicht, dass etwas ewig dauern muss, es darf auch etwas ausprobiert werden, wenn das Bedürfnis vorhanden ist.» Dazu gehören definitiv Räume zum Werken, Basteln und selber Flicken in einer städtischen Siedlung – besonders wenn grosse Keller oder Estrichräume fehlen. «Es wird spannend sein, ob es künftig in anderen Siedlungen ähnliche Bestrebungen gibt», so Burri. Auch der Verein hofft auf Vorbildcharakter – gerade in einer Zeit, in der Teilen und Leihen immer wichtiger wird. «Es macht keinen Sinn, dass jemand für sich eine komplette Werkstatt einrichtet», findet Christian Vögtli. Teilen sei nicht nur finanziell, sondern auch unter ökologischen Aspekten sinnvoll. Und wenn die Werkstatt dereinst zusätzlich als Wissenspool fungiert, hat sie ihren Zweck mehr als erfüllt. «Das Ganze soll noch wachsen, wir fangen jetzt einfach mal an ohne durchgehende Strategie», bringt es Christian Hochstrasser auf den Punkt.