Aus der Nachbarschaft

Vor dem Tiefschlaf schnell die Idee notiert

Der Illustrator Niels Blaesi arbeitet mit satten Farben und reduzierten Formen. Im Januar hat er sich selbstständig gemacht, kurz darauf folgte die Corona-Pandemie. Das schmälert den Enthusiasmus des Luzerners allerdings nicht. 

Eine Giraffe reckt ihren Hals und nascht am Blatt, das ihr gereicht wird. Und das in einem mehrstöckigen Haus! Ist es überhaupt ein Haus oder sind es bloss symmetrisch angeordnete Formen in Pink und Orange, die sich zu einem Muster fügen? Spätestens dann, wenn man weitere Motive sieht, ist es klar: Hier geht es um die Themen Wohnen und Zusammenleben, die Formen symbolisieren das Haus und der Bewohner hat Besuch einer Giraffe. Wie schön! Wer möchte das nicht? Oder da, ein knallroter Vogel sitzt in einem Fenster­quadrat und schaut ein Mädchen an und umgekehrt. Die Illu­strationen gehören zu einer Kartenserie, die Niels ­Blaesi für die abl realisiert hat.
Der 30-jährige Illustrator sitzt in seinem Büroatelier am Löwenplatz, die Postkarten liegen ausgebreitet vor ihm und springen einem in ihrer Farbigkeit förmlich an. «Mit meinen Arbeiten versuche ich, Assoziationen zu schaffen und die Leute bei ihren Erinnerungen und ­Erlebnissen abzuholen», sagt er und zeigt auf eine Zeichnung, bei der ein fadengerader Strich kreuz und quer zwei Menschen in Rechtecken verbindet. Alles klar: Schnürchen-Telefon. Die Illustrationen von Niels Blaesi haben eine klare Handschrift: satte Farben, ­Reduktion und Repetition. 

Sprung in die Selbständigkeit
Das Interesse für Architektur und Design prägt Niels Blaesis Arbeiten und das hat einen konkreten Hintergrund: Bevor er an der Hochschule Luzern Design & Kunst 2017 in «Illustration Fiction» abschloss, hatte er sich zum Hochbauzeichner ausgebildet und bis vor ein paar Monaten Teilzeit auf seinem Erstberuf gearbeitet. Den Sprung in die vollständige Selbständigkeit wagte er Anfang Jahr. «Meine Auftragslage für Illustrationen war gut und deswegen entschloss ich mich, alles auf eine Karte zu setzen.» Zwar habe auch ihm die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht, denn die ersten Monate des Jahres habe er sich eigentlich für die Akquise vorgenommen. «Ein schlechter Zeitpunkt, um neue Aufträge an Land zu holen», sagt Niels Blaesi und lacht trotzdem. «Ich arbeitete zuerst an eigenen Projekten und plötzlich drehte der Wind wieder. Jetzt bin ich recht gut ausgelastet.»
Ihm sei bewusst, dass er als Selbständigerwerbender sowieso mit schwankender Auftragslage klarkommen müsse. «Aber ich bin zuversichtlich, dass ich mit der Zeit Erfahrungswerte sammeln und damit umgehen kann», meint er. Zu Niels Blaesis Auftragsarbeiten gehören Illustrationen für Magazine, Kultur- und Kunsthäuser, für Firmen und die Werbebranche.

Tüfteln am Form- und Farbkonzept
Seine Inspirationen holt sich Niels Blaesi beim Beo­bachten von Alltagszenen, dem Stöbern in Modezeitschriften und in Architektur- und Designbüchern oder bei Kultserien wie «Der Prinz von Bel Air». Seine Eindrücke memoriert er auf Notizzetteln mit Bleistift oder auch mal als Foto. «Die meisten Projekte entstehen jedoch nicht mit einem spontanen Einfall, sondern bei intensiver Denk- und Zeichenarbeit im Studio», sagt Niels Blaesi. Wenn dann ein erster Faden gefunden sei, gäre es weiter. «Bei diesem Prozess braut sich Vieles im Kopf zusammen und springt mich plötzlich an – nicht selten dann, wenn ich am Einschlafen bin», sagt Blaesi und lacht. Er stehe dann auf und mache eine kleine Skizze dazu, damit ihm die Ideen nicht entwischen. Am Intensivsten sei die Entwicklung, Bearbeitung und der Feinschliff der Illustrationen am Computer: «Insbesondere am Farbkonzept tüftle ich oft enorm lange herum, damit die Kombination stimmt und die Farben harmonisieren. Gerade bei Serien ist mir das besonders wichtig.»
Aufgewachsen ist Niels Blaesi in der abl-Siedlung Claridenstrasse in Luzern. «Ein Quartier, das mich natürlich durch meine Kindheit geprägt hat: Noch heute kenne ich hier jede Ecke», sagt er. Eigentlich wäre er später gerne in unbekannte Sphären eingetaucht und hätte sein Studium in einer anderen Stadt absolvieren wollen. «Doch die Richtung <Illustration Fiction> gibt es nur in Luzern, also bin ich geblieben.» Bereut hat er diese Entscheidung nicht, Luzern empfindet er als gutes Umfeld, und das Atelier teilt er mit anderen Leuten aus dem Kreativumfeld. «Das gibt einen guten Austausch und doch kann ich wieder selbständig in meine eigene Sachen eintauchen», sagt Niels Blaesi. Apropos Austausch und andere Sphären: Im Frühling 2021 geht es nach New York, dort hat Niels Blaesi für einen Monat einen Stipendienplatz in einem Atelier bekommen. «Darauf freue ich mich. Das ist ein weiterer Vorteil an meiner Arbeit als freiberuflicher Illustrator: Ich bin nicht an einen bestimmten Ort gebunden.»

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