Obere Bernstrasse
Formen, Farben, Leidenschaft
In der oberen Bernstrasse, wo Wohnen und Gemeinschaft aufeinandertreffen, verbirgt sich das Studio Olá von Melissa Truniger. Zwischen Werkbänken, Drehscheiben und dem Duft frischen Tons entstehen nicht nur Keramikobjekte, sondern auch Begegnungen.

Es sind die kleinen Dinge, die im Studio Olá auffallen. Etwa wie das warme Licht über die poröse Struktur einer kleinen Vase streift und die feinen Rillen sichtbar werden lässt, die ihre Oberfläche lebendig machen. Ein paar Schritte weiter liegt ein bunter Haufen aus Konfetti – erst beim zweiten Blick offenbart sich, dass jedes einzelne Teilchen von Hand aus Ton geformt wurde. In einem weiteren Gestell ruht eine antik anmutende Amphore. Mit ihrer rauen Oberfläche und den künstlichen Muscheln, die an ihr haften, sieht das Stück aus, als wäre es nach Jahrhunderten auf dem Meeresboden eben erst ans Licht geholt worden.
In Melissa Trunigers Studio Olá – Keramik & mehr an der Bernstrasse 68 gibt es unzählige solcher Details zu entdecken. Es ist ein heller, offener Raum, durchzogen vom Duft frischen Tons, in dem Hände formen, experimentieren und jedes Objekt eine Geschichte erzählt.
Von der Bühne zur Drehscheibe
Auch Trunigers eigene Geschichte ist von Formen, Farben und Materialien geprägt. Als Malerin ausgebildet, fand sie in der Keramik eine neue Ausdrucksform und Leidenschaft, die sie nun anderen vermittelt. «Ich wusste schon während der Ausbildung, dass ich etwas Kreatives machen will», sagt die heute 37-jährige Künstlerin rückblickend. Berufsbegleitend absolviert sie den Vorkurs an der Gestaltungsschule Farbmühle und findet in der Folge eine Stelle als Theatermalerin am Theater Basel. «Aus einer eigentlich befristeten Anstellung von drei Monaten als Aushilfe wurden dann letztlich fast zehn Jahre am Theater», sagt sie mit einem leichten Schmunzeln.
Als Theatermalerin gestaltet und bemalt sie die Bühnenhintergründe und andere Gegenstände, die auf der Bühne gebraucht werden. «Das Theater ist eine Welt für sich und ich empfand meine Zeit dort als wunderbare Erfahrung. Darum fiel mir der Entscheid, diese Welt zu verlassen, auch ziemlich schwer.» Während der Arbeit am Theater bemerkt Melissa Truniger, dass ihr vor allem die dreidimensionalen Arbeiten gefallen. In dieser Zeit beginnt sie, der bekannten Keramikerin Brigitte Steinemann zu assistieren. Es ist der erste echte Kontakt mit dem Handwerk, das sie heute vermittelt. «Die Tage in ihrem Atelier gingen für mich immer sehr schnell vorüber – ein gutes Zeichen.»
Ausbildung in Portugal
Melissa Truniger fasst den Entschluss, eine zweite Ausbildung zu machen. «Ich informierte mich über die Geschichte des Keramikhandwerkes und erfuhr von der langen Tradition dieser Kunst in Portugal.» 2018 beginnt sie in Lissabon eine knapp vierjährige Ausbildung zur Keramikerin. Neben dem klassischen Töpfern erlernt sie dort auch die Kunst der Azulejos – jener typisch portugiesischen bemalten und glasierten Keramikfliesen. Zudem stellt sie dort in mehreren Ausstellungen ihre eigenen Werke aus und entwickelt ihre künstlerische Arbeit kontinuierlich weiter.
Wer sich mit Melissa Truniger unterhält, der spürt ihre grosse Leidenschaft für das Handwerk und das Material. «Einerseits ist es das Material, das sich in verschiedenen Stadien bearbeiten lässt – von nass über lederhart bis trocken. Bis zum trockenen Zustand kann der Ton sogar recycelt werden. Danach ist er sehr fragil, und erst nach dem Brennen wird er endgültig fest. Andererseits ist der Prozess sehr spannend: das Experimentieren und am Ende ein einzigartiges Objekt in den Händen zu halten.» In ihrer Arbeit verbindet sie nun die Tradition des Handwerks mit ihrem modernen künstlerischen Schaffen. So entstehen neben «klassischen» Vasen oder Tassen eben auch viele kleine und grosse Kunstwerke, wie die Konfettis oder die Amphore im Studio Olá.
Glücksfall Atelier
Das Atelier in der abl-Siedlung Obere Bernstrasse war für Melissa Truniger ein echter Glücksfall. «Ich wohne ganz in der Nähe und habe die Entstehung der Überbauung miterlebt. Als ich dann sah, dass ein Atelier genau hier, kaum fünf Minuten von meinem Zuhause entfernt verfügbar wird, zögerte ich keinen Moment.»
Der grosse Brennofen und die drei Drehscheiben bilden das Herzstück des Ateliers. Hier gibt Melissa Truniger ihr Wissen in Kursen weiter – für Anfängerinnen und Anfänger genauso wie für Fortgeschrittene. Auch Kinder können hier ihre ersten eigenen Kunstwerke aus Ton gestalten. «Bei grösseren Gruppen, etwa einem Firmenanlass, kann ich unkompliziert den Gemeinschaftsraum der Überbauung nutzen, was ich sehr schätze.»
Keramik und mehr
Doch das Studio Olá ist nicht nur ihr eigener Kreativraum, sondern auch eine Plattform für andere Kunstschaffende. Melissa Truniger vermietet das Atelier an Einzelpersonen oder Gruppen, die dort eigene Kurse anbieten möchten. In Zukunft werden hier neben Keramikkursen auch Malkurse und Collage-Workshops stattfinden. «Ich möchte einen Ort schaffen, an dem Menschen ihre kreativen Ideen verwirklichen können.» Gleichzeitig plant sie, ihre eigene künstlerische Arbeit weiterzuentwickeln und auch in Zukunft mit Ausstellungen an die Öffentlichkeit zu treten.
Ein Besuch im Studio Olá lohnt sich – sei es, um die neue Lieblingstasse zu finden, selbst an der Drehscheibe kreativ zu werden oder einfach, um die vielen kleinen Schätze und Details zu entdecken, die Melissa Truniger mit viel Gespür für Material und Form geschaffen hat. Und vielleicht ergibt sich dabei auch eine der Begegnungen, die dieses Atelier zu einem so besonderen Ort machen.
Hier kann man seiner Kreativität freien Lauf lassen.
Studio Olà
Melissa Truniger
Bernstrasse 68
6003 Luzern
+41 76 399 26 30